Herr Brand, mit den GoBD vom 14. November 2014 hat das Bundesfinanzministerium (BMF) ältere
Vorschriften zur digitalen Buchführung zusammengefasst und
konsolidiert. Wird hier alter Wein in neuen Schläuchen serviert? Oder: Was ist neu an den GoBD?
Thorsten Brand: Wenn man den Aussagen des BMF folgt, gibt es keine neuen Anforderungen, sondern nur eine
Zusammenfassung vorhandener Regelungen, wie
vorherige BMF-Schreiben und Fragen-und-Antworten-Kataloge. Tatsächlich ersetzen die GoBD die in die Jahre
gekommenen GoBS von 1995 und die Anforderungen an den
Datenzugriff (GDPdU) von 2001. Es ist auch sinnvoll, diese Dinge zusammenzufassen, da es viele Themen gibt,
die sowohl etwas mit Ordnungsmäßigkeit im
Allgemeinen zu tun haben als auch mit dem Datenzugriff im Rahmen einer Betriebsprüfung. Beispiele hierfür
sind der Prüferzugriff auf archivierte Dokumente oder
die maschinelle Auswertbarkeit von e-mails. An vielen Stellen werden in den GoBD die Anforderungen mit
Beispielen erläutert oder es erfolgt ein Verweis auf
finanzrechtliche Urteile. Das ist neu und hilfreich, um auch Analogieschlüsse zu ermöglichen. Aber auch auf
Sonderthemen, wie den Umgang mit Kassendaten,
elektronische Rechnungen oder die Belegsicherung, wenn die Buchhaltung beim Steuerberater erfolgt, wird
eingegangen. Interessant ist, dass technische Vorgaben
und Standards, insbesondere aufgrund der schnellen technischen Entwicklung, nicht festgeschrieben werden
sollen. Es werden daher keine konkreten technischen
Anforderungen definiert und die Möglichkeit von Analogieschlüssen explizit am Beispiel von Papier und
elektronischen Unterlagen erwähnt.
Eines stellen die GoBD noch einmal klar: Die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit trägt
allein der Steuerpflichtige.
Worin bestehen die wesentlichen Herausforderungen bei der Umsetzung der GoBD durch die Unternehmen?
Für Unternehmen bleibt es in dieser wechselhaften Welt nach wie vor schwierig, Daten,
Auswertungsmöglichkeiten und Systeme über einen Zeitraum von zehn
Jahren verfügbar zu machen. Das ist technisch komplex und mit Kosten verbunden. Nehmen Sie nur ein
Unternehmen, welches verkauft und reorganisiert wird und
dessen ERP- und Buchführungsanwendungen abgelöst werden. Und dann kommt nach zehn Jahren ein Steuerprüfer und
will alle Auswertungsmöglichkeiten von damals.
Und dann kommt nach zehn Jahren ein Steuerprüfer und will alle Auswertungsmöglichkeiten von damals. Diese
Anforderungen sind allerdings nicht neu und haben
sich durch die GoBD auch nicht verändert. Hier muss ein Mittelweg gefunden werden, der es erlaubt, Dinge nach
wie vor auswertbar und nachvollziehbar
bereitzustellen, der aber auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. In Abstimmung mit den Betriebsprüfern
lassen sich solche Kompromisse aber oft finden. So
kann auch in einem Dokumentenmanagementsystem (DMS) nach e-mails gesucht werden. Und wenn man steuerrelevante
Daten nicht mehr aus der Originalanwendung
bereitstellen kann, sondern aus einem anderen System, und der Prüfer diese einfach verarbeiten kann, ist das
kein Prüfungsnachteil. Eines stellen die GoBD aber
noch einmal klar: Die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit trägt allein der Steuerpflichtige. Dies gilt
auch bei einer teilweisen oder vollständigen
organisatorischen oder technischen Auslagerung an Dritte.
Inwieweit wirken sich die neuen Vorgaben auf die Unternehmens-IT aus? Welche Bereiche / Systeme sind
betroffen? Wer sollte jetzt handeln und
gegebenenfalls seine betriebliche Praxis anpassen?
Wie schon festgestellt: Der Fokus liegt massiv auf der Unternehmens-IT, insbesondere auf buchhaltungsnahen
Systemen. Hier nehmen die GoBD auch klar Stellung
und zählen viele der betroffenen Anwendungen auf: Finanzbuchführungssysteme, Anlagen- und
Lohnbuchhaltungssysteme, aber auch Kassensysteme,
Warenwirtschaftssystem, Zahlungsverkehrssystem, Materialwirtschaft, Fakturierung, Zeiterfassung oder
Branchenanwendungen wie Taxameter, Geldspielgeräte und
elektronische Waagen werden erwähnt. Explizit werden auch Archivierungsanwendungen, also DMS-
Produkte,genannt, da diese häufig für die Aufbewahrung von
steuerrelevanten Dokumenten und Daten eingesetzt werden. Die Anwendungen und deren Auswertungsmöglichkeiten
müssen erhalten bleiben. Auch sollten
Konvertierungs- und Konsolidierungsverfahren noch einmal dahin gehend bewertet werden, ob hier Daten auf der
Strecke bleiben oder bei der Umwandlung ein Verlust an Daten
oder Auswertungsmöglichkeiten erfolgt. Hier liefern die GoBD viele Beispiele. Eine weitere wichtige
Anforderung der GoBD sollte betriebsintern geprüft werden:
Es geht um die Aufbewahrung von steuerlich relevanten Dateien. Wenn diese nur auf Netzwerklaufwerken liegen
und somit beliebig geändert werden könnten, sollte
man an diesem Verfahren – also insbesondere an dem Speicherort – etwas ändern. Man muss jetzt nicht gleich
ein DMS mit einem unveränderbaren Speichersystem
kaufen, aber möglicherweise ist eine regelmäßige Sicherung auf einmalbeschreibbaren Medien oder ein
zusätzlicher Ausdruck ein hilfreiches Mittel, um einem
Prüfer zu erläutern, dass sich an den Daten nichts geändert hat.
Die GoBD legen großen Wert auf eine Verfahrensdokumentation im Unternehmen.
Wie sollten Unternehmer bei der Umsetzung der GoBD-Anforderungen vorgehen?
Erst einmal überhaupt tätig werden. Die Anforderungen zum Datenzugriff gibt es seit 2001. Da kann man
nicht mehr behaupten, man habe das nicht gewusst.
Wichtig ist es, vorbereitet zu sein. Der Prüferzugriff auf die betroffenen Anwendungen sollte organisiert und
die dauerhafte Verfügbarkeit der steuerrelevanten
Daten sichergestellt werden. Vielleicht ist ein kleines Projekt hierzu hilfreich, bei dem man sich noch
einmal die steuerrelevanten Anwendungen und Dateien
anschaut und die Anforderungen der GoBD danebenlegt. Dann sind je Anwendung die Szenarien durchzuspielen,
dass ein Prüfer den Zugriff wünscht oder dass er die
Daten und Dokumente gern mit seinen Systemen auswerten möchte. Hier kann man dann die internen Regelungen und
Zuständigkeiten für diese Anforderungen
erstellen, prüfen und bei Bedarf anpassen. Die Ergebnisse und Festlegungen hieraus sollten in einer
Verfahrensdokumentation festgehalten werden, da die GoBD
hierauf großen Wert legen. Der Begriff wird im BMF-Schreiben häufig erwähnt und es wird schnell klar, dass es
sich hierbei nicht nur um die Handbücher der
Buchhaltungsanwendung handelt. Dem Prüfer soll mit der Verfahrensdokumentation klargemacht werden, wie die
Anforderungen an Vollständigkeit,
Nachvollziehbarkeit, Unveränderbarkeit und Ordnung für die Buchführung umgesetzt sind. Mittlerweile gibt es
zu den GoBD umfassende erläuternde Literatur, die
einem bei der Umsetzung weiterhilft. Von Branchenverbänden und Beraterseite gibt es zudem Leitfäden und
Checklisten, Vorschlagslisten zu den steuerrelevanten
Daten, anwendungsspezifische Dokumentationen für die Einrichtung des Prüferzugriffs, Musterarbeitsanweisungen
und Gliederungsvorschläge für
Verfahrensdokumentationen.
Wenn Sie die GoBD insgesamt betrachten: Ist der Finanzverwaltung damit der große Wurf in Richtung
Modernisierung gelungen oder sehen Sie weiteren
Anpassungsbedarf?
Im Vergleich zu anderen BMF-Schreiben enthalten die GoBD viele gute und praktikable Formulierungen. Wir
als DMS-Berater haben zwar nur den Fokus auf
BMF-Schreiben zum Thema Aufbewahrung, aber selbst in diesem Bereich gab es in der Vergangenheit
Anforderungen, bei denen man sich nur wundern konnte. Die
gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung und Verfügbarmachung von steuerrelevanten Daten bleiben immer
noch umstritten. Daran können auch die GoBD nichts
ändern. Es gibt immer noch keine verbindliche Liste der steuerrelevanten Daten. Und nach wie vor müssen Daten
zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Alle
Auswertungsmöglichkeiten müssen über diesen Zeitraum zur Verfügung gestellt und eine Dokumentation verfasst
werden, ohne die Unternehmen auch gut leben
könnten. Trotzdem denke ich, dass die GoBD ein wichtiges Dokument für den Umgang mit steuerrelevanten Daten
sind. Anwendern und Herstellern tut es gut, eine
möglichst konkrete und konsistente Definition von Anforderungen zu haben – ob man diese nun gut findet oder
nicht. Sind aber die Anforderungen klar und
verständlich, hilft das immer bei der internen Umsetzung.