Herr Professor Mülder, schon seit mehreren Jahren gibt es die technischen Möglichkeiten zur elektronischen Verwaltung von Personalakten. Inwieweit
haben sich entsprechende Lösungen im Markt bislang durchgesetzt? Und wer nutzt sie: nur die großen oder inzwischen auch kleine und mittelständische
Arbeitgeber?
Wilhelm Mülder: In der Tat existieren rechtssichere und technisch ausgereifte Lösungen für digitale Personalakten schon seit rund 20 Jahren. Zunächst haben
sich Großunternehmen an die Umstellung von Papierakten auf digitale Akten gewagt. Inzwischen erkennen aber auch immer mehr Mittelständler, dass die
traditionelle Aufbewahrung von Papier nicht mehr zeitgemäß ist und die digitale Personalakte, verbunden mit sicheren Authentifizierungsverfahren und
Workflow-Komponenten, unbestreitbar im Vorteil ist. Allerdings ist die Einführung digitaler Personalaktensysteme auch immer mit Investitionen und einem Projekt
verbunden, dies muss den mittelständischen Firmen klar gemacht werden.
Welche Argumente sprechen denn dafür, dass Arbeitgeber sich von der herkömmlichen Papierablage verabschieden und eine digitale Personalakte
nutzen?
Im Vordergrund stehen ganz klar Schnelligkeit und Vereinfachung. Der berechtigte Nutzer kann direkt von seinem PC oder sogar mobil per Tablet auf die
Dokumente der Personalakte zugreifen. Früher mussten die Papierakten aus Archivschränken, die sich teilweise im Keller oder in anderen Gebäuden befanden,
herausgesucht werden. Noch länger dauerte es, wenn die Akte von einem Standort zum anderen verschickt werden musste.
Letztlich spart das Unternehmen mit digitalen Personalakten auch Kosten, denn – wenn man einmal ehrlich ist – die Personalaktenführung zählt nicht zu den wichtigsten und interessantesten Aufgaben
einer Personalabteilung. Andererseits ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, gewisse Belege bis zu zehn Jahre und länger aufzubewahren. Die elektronische
Akte ist in diesem Fall die effizienteste Lösung.
Welche Punkte sollten vor der Einführung einer digitalen Personalakte im Unternehmen geklärt werden?
Es hat sich bewährt, eine Projektgruppe, bestehend aus Vertretern der Personalabteilung, des IT-Bereichs sowie in enger Abstimmung mit
Datenschutzbeauftragtem und Betriebsrat, zu konstituieren. Am Anfang steht die Analyse der Ist-Situation: Welche Dokumente umfassen die bisherigen
Personalakten? Wer archiviert heute die Personalakten? Welche Formate existieren bei digitalen Personaldokumenten? Welche Stellen benötigen den Zugriff auf
Personalakten?
Im nächsten Schritt erarbeitet das Projektteam ein Konzept für die digitale Personalakte. Hierbei sind fachliche Wünsche sowie technische
Anforderungen zu berücksichtigen. Ferner ist ein Berechtigungskonzept mit genauen Zugriffsregeln zu erarbeiten. Es schließt sich die Auswahl der Software an.
Hierbei sollte sich das Projektteam mehrere Lösungen genauer anschauen. Die vorher schriftlich fixierten technischen und fachlichen Anforderungen sind mit den
jeweiligen Software-Anbietern durchzugehen, auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung sollte in diesem Projektabschnitt erfolgen. Nach Entscheidung für eine Software
folgen die Installation, die Übernahme vorhandener Papierarchive, die Schulung der Nutzer sowie die Umstellung auf den Echtbetrieb.
Ein besonders heikles Thema im HR-Bereich ist der Schutz sensibler Personendaten. Worauf ist in diesem Zusammenhang bei der Einführung einer digitalen
Personalakte zu achten?
In den Anfangsjahren schwebte immer eine Portion Rechtsunsicherheit mit: Darf man wirklich nach der Digitalisierung (dem Scannen) die Papierakten
vernichten? Werden digitale Akten von Arbeitsgerichten genauso behandelt wie Papierakten? Kann die technische Lesbarkeit bzw. der Ausdruck auch noch nach zehn
oder noch mehr Jahren gewährleistet werden? Wie kann der Zugriff Unbefugter auf digitale Personaldokumente verhindert werden? Spezielle Vorschriften, wie sie
beispielsweise im Bundesbeamtengesetz existieren, gibt es im Arbeitsrecht nicht. Wichtige Rechtsquellen sind aus arbeitsrechtlicher Sicht (z. B. Einsichtsrecht
des Arbeitnehmers in seine Personalakte) das Betriebsverfassungsgesetz sowie für den Persönlichkeitsschutz das Bundesdatenschutzgesetz.
Generell müssen die vier Prinzipien des Personalaktenrechts (Vertraulichkeit, Transparenz, Richtigkeit und Zulässigkeit) beachtet werden. Der Arbeitgeber ist auf der sicheren
Seite, wenn er Grundsätze ordnungsgemäßer Archivierung formuliert und beachtet. Hierzu gehört unter anderem, dass Dokumente unveränderbar archiviert werden
müssen, dass kein Dokument auf dem Weg ins elektronische Archiv verloren gehen darf und dass Dokumente durch geeignete Suchtechniken bzw. Schlagworte zeitnah
wiedergefunden werden können.
Eingangs sprachen wir über die bisherige Verbreitung von Lösungen zur elektronischen Personalaktenverwaltung. Wie, glauben Sie, wird sich die Situation
künftig darstellen?
Ich bin überzeugt, dass die elektronische Personalakte in den kommenden Jahren die Papierakte auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen ersetzen
wird. Es ist einfach bequemer und spart Zeit. Ob sich auch Kosten einsparen lassen, muss allerdings in jedem Einzelfall gerechnet werden. Die Gefahr besteht,
dass ein falsch aufgesetztes Projekt oder eine halbherzige Umstellung (z. B. Mischformen von Papier- und Digitalakten) nicht zu den gewünschten Nutzeffekten
führen. Der Wechsel von Papier- auf Digitalakten funktioniert nicht von allein, die Software führt nicht automatisch zu Kosteneinsparungen und der ROI
berechnet sich nicht zwangsläufig schon nach wenigen Wochen. Wichtig ist sicherlich auch, einen zuverlässigen Technikpartner zu haben, der idealerweise schon
über Erfahrungen und Referenzen bei digitalen Personalakten verfügt.