Herr Engel-Flechsig, mit EDI (engl. Electronic Data Interchange) oder der Texterkennung OCR (engl. Optical Character Recognition) stehen bereits
Formate für den elektronischen Datenaustausch zur Verfügung. Was hebt das neue ZUGFeRD-Rechnungsformat von solchen Lösungen ab?
Stefan Engel-Flechsig: Die Entwicklung von ZUGFeRD 1.0 ist in Deutschland, ja in ganz Europa einzigartig, weil das Datenformat auf ehrenamtlicher Basis von
Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam entwickelt wurde und daher einen breitestmöglichen Konsens ohne kommerzielle Interessen darstellt. Für mich ist dies eine
besonders gelungene Form von partizipativer Standardentwicklung. Die bislang bereits rund 2.000 Downloads verdeutlichen dies nachhaltig. ZUGFeRD wird und soll
andere Lösungen wie EDI oder OCR jedoch nicht ersetzen; diese können weiterhin genutzt werden. Gegenüber OCR bietet ZUGFeRD aber den Vorteil strukturierter
XML-Dateien.
Warum sollten Unternehmen von der Papierrechnung auf ZUGFeRD umstellen?
Elektronische Rechnungen vereinfachen den Versand, Empfang und die Verarbeitung von Rechnungen grundlegend. Statt wie bisher auf Papier auszudrucken und
per Post zu versenden oder zu empfangen, werden Rechnungen per e-mail versendet und empfangen. Für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung ergibt sich
dadurch ein erhebliches Einsparpotenzial. Dies kann pro Rechnung zwischen 10 und 28 Euro liegen.
Es kursieren Gerüchte, wonach ZUGFeRD in erster Linie großen Firmen Erleichterungen bringe. Was ist da dran?
ZUGFeRD ist auch und gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die beste Möglichkeit, mit einem einzigen Format sämtliche Anforderungen an die
Übermittlung strukturierter Rechnungsdaten zu erfüllen. Es ist also ein Format für alle Anwendungen und erleichtert auch kleineren Betrieben die Nutzung
elektronischer Rechnungen.
Wie können Unternehmen auf ZUGFeRD umstellen? Und welche Kosten entstehen ihnen hierdurch?
In der Regel wird das Format im Rahmen eines Updates der bereits vorhandenen Buchhaltungs-, ERP- oder DMS-Lösungen zur Verfügung gestellt. Besondere
Kosten werden hierdurch nicht entstehen.
Ist die technische Anpassung kompliziert?
Nein. ZUGFeRD basiert auf internationalen Standards und kann deshalb ohne Weiteres und mit wenig Aufwand in vorhandene Lösungen oder Softwareplattformen
integriert werden.
Wird ZUGFeRD bereits von kleinen und mittleren Unternehmen erfolgreich eingesetzt?
Ja. Obwohl die Version 1.0 erst vor Kurzem vorgestellt wurde, haben bereits zahlreiche KMU ZUGFeRD-Lösungen im Einsatz. Von diesen „ Early Adaptors“ haben
wir nur positive Meldungen erhalten: Effizienz gesteigert, Kosten gespart, Zahlungsflüsse beschleunigt.
Wie geht es mit dem noch jungen Format nun weiter?
Wie bei jeder Standardentwicklung wird es jetzt einerseits um die Pflege des Formats gehen; eventuelle „Bugs“ (Softwarefehler, die Red.) müssen beseitigt
werden. Andererseits wird es um die Unterstützung der Implementierung gehen. Wir planen, das Datenmodell für weitere betriebliche Prozesse wie zum Beispiel
Bestellvorgänge, Auftragsbestätigungen oder Zahlungen zu nutzen und ZUGFeRD entsprechend zu erweitern.
Ist staatlicherseits mit einer Verpflichtung zur Nutzung von ZUGFeRD zu rechnen?
Nein, solche Überlegungen sind mir nicht bekannt. Aber es gibt bei vielen Behörden in Bund, Ländern und Kommunen den Wunsch, ZUGFeRD als Format für
Eingangsrechnungen zu erhalten. Wir werden sehen, wie sich dies angesichts der Harmonisierungsbestrebungen in der EU bei öffentlichen Aufträgen
weiterentwickeln wird.
Welche Chancen hat ZUGFeRD als einheitliches Rechnungsformat auf EU-Ebene?
ZUGFeRD 1.0 erfüllt bereits heute die Anforderungen an die in der EU-Richtlinie zur elektronischen Rechnungsstellung geforderte europäische Norm für
elektronische Rechnungen im öffentlichen Auftragswesen. Es basiert auf international anerkannten Grundlagen (UN/CEFACT und ISO) und setzt EU-weit normierte
Standards um. Aus diesem Grund ist Deutschland mit ZUGFeRD 1.0 auch international hervorragend aufgestellt.
Wenn Sie abschließend eine Prognose wagen: Welche Entwicklung wird ZUGFeRD in den kommenden Jahren nehmen?
Wir sehen bei zahlreichen Unternehmen Lösungen in den Produktportfolios, und ZUGFeRD wird bereits als Standardschnittstelle beim Rechnungseingang und
-ausgang angeboten und genutzt. In einigen Jahren wird sich ZUGFeRD dann als allgemein akzeptiertes Format für strukturierten Rechnungsaustausch
durchgesetzt haben.