Als die EU-Kommission im Januar dieses Jahres vorschlug, die SEPA-Migrationsphase um sechs Monate zu verlängern, begründete sie diesen Schritt mit der
schleppenden Umstellung bei den Unternehmen. Wie groß war denn der Anteil der Firmen in Deutschland, die am 1. Februar 2014 nicht SEPA-fit waren?
Ernst Stahl: Laut einer
Umfrage, die wir von Ende 2013 bis Januar 2014 in Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern van den
Berg und Bank-Verlag durchführten, gingen kurz vor dem Stichtag mehr als 90 Prozent der Unternehmen davon aus, alle notwendigen Systeme fristgerecht auf SEPA
umstellen zu können. Der Großteil war also nach eigener Einschätzung vorbereitet. Die Umfrageergebnisse deuten allerdings auch darauf hin, dass bei einer
SEPA-Einführung zum ursprünglichen Termin fast ein Zehntel der Firmen bis auf Weiteres nicht am Zahlungsverkehr hätte teilnehmen können. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass unseren Untersuchungen zufolge jedes vierte Unternehmen, das Lastschriften nutzt, bereits nach maximal fünf Tagen in seiner Liquidität
gefährdet wäre, wenn es keine Lastschriften mehr einziehen könnte. Gesamtwirtschaftlich betrachtet muss man daher feststellen, dass Deutschland am 1. Februar
2014 nicht „SEPA-ready“ war.
Wie erklären Sie sich, dass ein europäisches Großprojekt wie SEPA, das seit 2008 existiert, so lange ein Schattendasein gefristet hat und vielfach nur
so zögerlich umgesetzt worden ist?
Die Abschaffung der nationalen Zahlungsverfahren als dritte Stufe der Euro-Umstellung ist über lange Zeit tatsächlich kaum öffentlich wahrgenommen worden.
Anders als zum Beispiel bei der Einführung des Euro-Bargelds im Januar 2002 oder bei der Umstellung auf das fünfstellige deutsche Postleitzahlensystem in den
1990er-Jahren haben die Medien die Relevanz von SEPA insgesamt nicht richtig erkannt und das Thema viel zu wenig ausgeschlachtet.Ein gravierendes Manko der
Berichterstattung war und ist zudem die starke Fokussierung auf die Konvertierung der Kontonummern und Bankleitzahlen in IBAN und BIC. Bei Verantwortlichen in
Unternehmen, Vereinen oder auch Behörden mag dadurch der Eindruck entstanden sein, dass es mit der Konvertierung bereits mehr oder weniger getan sei. Das ist
jedoch falsch. SEPA durchdringt die Organisationen tiefer, als viele vermuten. An allen Stellen, an denen Kontodaten verarbeitet werden, müssen die internen
Prozesse angepasst werden. Das erfordert natürlich auch eine Anpassung der eingesetzten IT-Systeme. Sofern Lastschriften genutzt werden, müssen darüber hinaus
Mandate eingeholt bzw. Einzugsermächtigungen migriert und eine Mandatsverwaltung implementiert werden.
Wie sieht es mit der Umsetzung heute aus? Ist SEPA bei den Firmen in Deutschland angekommen?
Ja, das Thema ist angekommen. Im Rahmen einer erneuten onlinegestützten Umfrage* im Februar und März dieses Jahres haben wir ermittelt, dass sich der
Kenntnis- und Vorbereitungsstand gegenüber früheren Erhebungen deutlich verbessert hat. Das bedeutet aber keineswegs, dass die SEPA-Umstellung bereits
flächendeckend abgeschlossen ist. So reicht zum Beispiel rund ein Viertel der befragten Organisationen auch nach dem 1. Februar 2014 noch Überweisungen oder
Lastschriften im alten DTA-Format ein. Ab August darf aber nur noch das SEPA-XML-Format verwendet werden. 16 Prozent der Befragten geben zudem an, dass sie
erst ab 1. August 2014 ausschließlich die SEPA-Überweisung bzw. die SEPA-Lastschrift nutzen wollen. Eine solche Big-Bang-Umstellung zum Stichtag – ohne vorher
Testfälle durchgeführt zu haben – birgt große Risiken, denn allein die Anpassung der internen IT-Systeme an die SEPA-Lastschrift hat jede zehnte Organisation
vor große Schwierigkeiten gestellt. Ähnliches gilt für die Anpassung der internen Prozesse und die Integration von Sonderfällen, wie zum Beispiel Rückläufer.
Insbesondere kleine Unternehmen haben zudem Nachholbedarf beim Umgang mit SEPA-Lastschriftmandaten. Rund zwei Drittel gaben an, die Auswirkungen von
Rücklastschriften auf den Mandatszustand derzeit nicht zu berücksichtigen, und 29 Prozent der Befragten verwalten die Mandate bislang nicht regelkonform. Bis
zum 1. August 2014 und wohl auch darüber hinaus gibt es in zahlreichen Unternehmen also noch einiges zu tun.
Welches Vorgehen empfehlen Sie Unternehmen, die noch nicht auf SEPA vorbereitet sind?
Fakt ist: Es gibt keinen Plan B für SEPA. Das Allerwichtigste ist daher, dass Firmen nach dem 1. August 2014 weiterhin am Zahlungsverkehr teilnehmen können
und zu ihrem Geld kommen. Hierzu sollten sie zuerst prüfen, wo im Unternehmen überall Kontonummern und Bankleitzahlen verarbeitet werden. Als Nächstes sollten
sie sicherstellen, dass sie aus ihren IT-Systemen heraus das SEPA-XML-Format erzeugen können, das ab spätestens 1. August von den Kreditinstituten
ausschließlich angenommen werden darf. Dazu müssen die Stammdaten migriert werden, und man muss sich, wenn man Lastschriften nutzt, um den Umgang mit Mandaten
kümmern. Des Weiteren empfehle ich, noch vor dem Stichtag SEPA-Testfälle durchzuspielen, am besten mit einer realen Bank und keiner Test-Bank. Wer bereits
umgestellt hat, kann die verbleibende Zeit zur Einholung fehlender Mandate und zur Optimierung von internen Prozessen und Systemen nutzen.
Eine besondere Herausforderung für Unternehmen ist die Verwaltung von SEPA-Lastschriftmandaten. Ist hier künftig in Deutschland mit Erleichterungen zu
rechnen, Stichwort: e-Mandat?
Das e-Mandat wurde bereits im Jahr 2008 in den SEPA-Regelwerken der europäischen Banken definiert, um Lastschrifteinzüge auch auf elektronischem Wege, also
papierlos mandatieren zu können. Das Konzept stieß in der Praxis jedoch kaum auf Resonanz und wurde in Deutschland, dem Land mit dem höchsten
Lastschriftaufkommen in Europa (mehr als 80 Prozent Anteil am gesamten Lastschriftumsatz im Euroraum bzw. knapp 48 Prozent Anteil an allen
Lastschrifttransaktionen im Euroraum), von der Kreditwirtschaft nicht umgesetzt. Das verantwortliche Gremium der europäischen Kreditwirtschaft, der European
Payments Council (EPC), hat sich des Themas papierlose Mandatierung von Lastschriften seit vergangenem Jahr zwar wieder angenommen, die erforderliche große
europäische Lösung ist aber nicht in Sicht. Ein Grund hierfür ist, dass von den 33 SEPA-Ländern nur wenige Länder wie Österreich oder die Niederlande das
Lastschriftverfahren in signifikantem Maß nutzen. In vielen anderen europäischen Ländern gibt es erhebliche Vorbehalte gegenüber dem Lastschriftverfahren. In
den kommenden ein bis zwei Jahren ist daher nicht mit einer europäischen e-Mandat-Lösung zu rechnen, zumal auch in Deutschland kaum jemand das Thema ernsthaft
vorantreibt.