Gerade kleine und mittelständische Unternehmen betrachten die Buchführung oft als eine lästige
Pflicht – man konzentriert sich lieber auf andere
Bereiche, wie die Produktion und den Verkauf. Welche Folgen kann es haben, die Finanzbuchhaltung und das
Controlling stiefmütterlich zu behandeln?
Helmut Siller: Als Schlosser- oder Mechanikermeister sind Sie vielleicht ein brillanter Techniker; oder
Sie lieben den Umgang mit Menschen und sind daher
ein Verkaufsgenie. Und trotzdem machen Sie nur bescheidene Gewinne. Wissen Sie, warum? Kennen Sie Ihren
Materialaufwand? Kennen Sie den momentanen Wert Ihres
Lagers? Falls nicht, müssen Sie in die Buchhaltung schauen. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben muss jedes
Unternehmen eine Buchführung haben, sei es eine
Einnahmen-Überschuss-Rechnung oder eine doppelte Buchhaltung. Aufgabe der Buchführung ist es, alle
Geschäftsfälle des Unternehmens aufzuzeichnen, um der
Geschäftsführung den Stand der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage zu zeigen. Nur so erfahren Sie auf
der Führungsebene, ob das Unternehmen durch seine
Geschäftstätigkeit reicher oder ärmer wird, d.h., ob das Eigenkapital im Zeitablauf steigt oder sinkt.
Darüber hinaus lässt sich aus den Ist-Zahlen eine
Planbilanz ableiten, und die Buchhaltung liefert den Finanzbehörden die Basis für die Bemessung der
Ertragsteuern. Eine gute Buchhaltung verhindert zudem
Zahlungsrückstände und vereinfacht die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten.
Angesichts des steigenden Wettbewerbs und der verschärften Marktbedingungen sind rasche und
klare Analysen entscheidende
Erfolgskriterien.
Eine aussagefähige Buchhaltung bildet auch die Grundlage für ein wirksames Controlling, das die Führung
mit aktuellen Informationen unterstützt. Controller
sind auf allen Managementebenen Ansprechpartner für unternehmenspolitische, strategische und kaufmännische
Weichenstellungen; sie ziehen meist die richtigen
Schlüsse aus Buchhaltung und Jahresabschluss. Viele KMU sind aufgrund ihrer geringen personellen und
finanziellen Ressourcen aber nicht in der Lage,
ausreichend professionelles Controlling zu betreiben. Die dadurch fehlenden Informationen beeinträchtigen die
Entwicklung und bedrohen sogar das Überleben des
Unternehmens, weil sich ohne Buchhaltungszahlen kaum Insolvenzvorsorge betreiben lässt. Angesichts des
steigenden Wettbewerbs und der verschärften
Marktbedingungen sind aber rasche und klare Analysen, vorausschauende Planung, Risikoprävention, fundierte
Information und begleitende Kontrolle entscheidende
Erfolgskriterien.
Welche Vorteile ergeben sich für Unternehmer, wenn sie die Finanzbuchhaltung aktiv angehen?
Buchhaltung darf nicht mehr nur als lästige Pflicht gesehen werden. In den Finanzzahlen steckt viel Wissen
über das Unternehmen, über Kunden, über Schwächen
im Unternehmen usw. Ein "Management by Bankauszug" reicht heute nicht mehr aus, um nachhaltig Erfolg am Markt
zu haben. Sich mit Buchhaltung zu beschäftigen,
erfordert nur am Anfang Überwindung. Das Know-how, wie eine Bilanz entsteht, ist in einigen Schritten leicht
zu erwerben. Und dann fühlen Sie sich sicherer,
weil Sie zum Beispiel wissen, wie sich die Abschreibung Ihres Pkw auf den Gewinn auswirkt.
Finanzbuchhaltungssoftware spielt als Management-Informationssystem eine wesentliche Rolle
bei der Unternehmenssteuerung.
Die Buchhaltung ist auch die Basis für eine wichtige zweite Aufgabe jedes erfolgreichen Unternehmers: eine
regelmäßige Bilanzanalyse – oft mithilfe von
Kennzahlen, wie zum Beispiel: Eigenkapitalquote, Umsatzrentabilität, Cashflow, durchschnittliche
Außenstandsdauer oder Break-even-Point (Gewinnschwelle). Die
Analyse erlaubt, Schlüsse zu ziehen und Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten.Ein Beispiel: Wenn der Umsatz bei
bestimmten Kunden im Laufe der Zeit zurückgeht,
muss der Vertrieb reagieren. Noch ein Beispiel: Zeigt die Buchhaltung, dass der Gewinn stetig sinkt, müssen
die einzelnen Aufwendungen analysiert werden.
Vielleicht ist der Materialeinsatz teurer geworden, weil die Einkaufspreise gestiegen sind. Dann muss der
Einkauf reagieren und mit dem Lieferanten reden etc.
Auch Banken verlangen, bevor Sie einen Kredit bewilligen, Angaben zur Qualität des Rechnungswesens. Somit
reicht es nicht mehr aus, nur eine Buchhaltung zu
haben, die den Minimalerfordernissen genügt, sondern die Buchführung muss überdies übersichtlich,
tagesaktuell und zuverlässig sein. Sie muss einem Dritten,
wie der Bank, auf Anhieb die Zahlen und Zusammenhänge zeigen, auf die es ankommt – beispielsweise die
Schuldentilgungsdauer, also wie viel Cashflow Sie
brauchen, um Ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Bei guter Qualität bekommen Sie ein besseres Rating; dann
zahlen Sie unter Umständen weniger Zinsen für
Ihren Kredit.
Gute Unternehmenssteuerung setzt voraus, dass die Entscheider jederzeit auf aktuelle Informationen
zur Finanzsituation zugreifen können. Wie lässt sich
das am besten erreichen?
Eine wesentliche Rolle spielt hier Finanzbuchhaltungssoftware als Management-Informationssystem.
Kassenbücher, Onlinebanking, Kostenstellenverwaltung, die
digitale Belegverwaltung und eine Übersicht der offenen Posten auf Kunden- und Lieferantenseite gehören heute
zu den Standardfunktionen einer
Buchhaltungssoftware. Sie sollte zudem die wichtigsten Vorlagen für die Einnahmen-Überschuss-Rechnung, die
Gewinn- und Verlustrechnung oder die Bilanz
hinterlegt haben. Wenn sich das Programm dann auch noch gut bedienen lässt, werden Monats- und
Jahresabschluss fast zum Kinderspiel.
Doch eine gute Buchhaltung muss heute noch mehr leisten: Aus den bereits genannten Grundelementen sollte
man diverse Auswertungen auf Knopfdruck erstellen
können. Sie sollten sich nach verschiedenen Kriterien (Kunden, Artikel) strukturieren und in unterschiedliche
Datenformate exportieren lassen. Also auf die
zeitnahe Information kommt es immer mehr an.
Sind kleinere Unternehmen da nicht aufgrund geringerer Ressourcen von vornherein im
Wettbewerbsnachteil?
Für Kleinstunternehmen scheint es nicht leistbar, ein ausgeklügeltes Controllingsystem zu etablieren und
erfolgreich zu betreiben. Viele Unternehmer glauben
auch, sie brauchen kein Controlling, weil es etwas kostet und sie ohnehin ausreichend Gewinn machen. Da wird
oft nicht weit genug gedacht. In einer
Untersuchung bei österreichischen Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern Ende 2011 haben wir
herausgefunden, dass es vor allem zwei Gründe sind, warum
kleinere Betriebe Rechnungswesen und Controlling relativ sparsam nutzen: 1. kein Bedarf aufgrund der
überschaubaren Unternehmensgröße, und 2. Zeitmangel. Das
war Anlass für uns, ein fünfteiliges Cockpit-Konzept zu entwickeln. Dieses beschränkt sich auf die
Mindestausstattung von Rechnungswesen und Controlling und
bietet den Unternehmen einen Überblick darüber, wie sie wirtschaftlich dastehen. Als Unternehmer sollten Sie
täglich rund zehn Minuten dafür investieren. Das
Cockpit, das wie das Armaturenbrett im Auto funktioniert – informiert aktuell über die Ertrags-,
Liquiditäts-, Vermögens-, Risiko- und Marktsituation. Wer
dieses Konzept mit einer guten Buchhaltungssoftware unterlegt, macht einen großen Fortschritt in Richtung
zukunftssicheres Unternehmen. Und: Controlling bringt
weit mehr an Einsichten und Wissen als es kostet – sie brauchen dazu ja keinen Controller, sondern selbst
etwas Rechnungswesen-Know-how. Und noch etwas: Wenn
Sie heute Gewinn machen, sagt das nichts über das Morgen aus. Nur ein gutes Rechnungswesen kann Ihnen sagen,
wie wahrscheinlich es ist, dass Sie künftig auch
noch Gewinne schreiben.
Wie wirkt sich eine leistungsfähige Finanzbuchhaltung im Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit dem
Steuerberater aus?
Der Steuerberater hat für viele KMU eine wichtige Funktion. Auch in unserer Untersuchung haben viele der
Befragten gesagt, dass sie ihrem Steuerberater die
Buchhaltung und damit einen Großteil der kaufmännischen Führung anvertrauen. Oft übernimmt der externe
Dienstleister zusätzlich Controllingfunktionen. Meiner
Meinung nach spricht heute viel dafür, sich zumindest so viel Wissen über Rechnungswesen selbst anzueignen,
dass man mit dem Steuerberater auf Augenhöhe
sprechen kann. Und viele Unternehmen entscheiden sich dann, die Buchhaltung künftig selbst zu machen, und den
Steuerberater gezielt für die Steuerberatung
einzusetzen. Sie können einem Steuerberater keinen größeren Gefallen tun, als ihm eine saubere Buchhaltung,
ein übersichtliches Journal und unter Umständen
sogar aussagekräftige Anlagen-, Eigenkapital-, Forderungs- und Verbindlichkeitenspiegel zu schicken. Das
erleichtert ihm nicht nur die Übersicht und die Arbeit
mit Ihren Zahlen sowie die steuerliche Vertretung, sondern spart Ihnen selbstverständlich Honorarkosten.