Die Unternehmen in Deutschland kommen derzeit so leicht und günstig an Kredite wie selten zuvor. „Die Kredithürde für die gewerbliche Wirtschaft in
Deutschland ist auf einen historischen Tiefstand gesunken“, sagt Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo Instituts. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Förderbank
KfW: Seit Beginn der KfW-Unternehmensbefragung im Jahr 2001 beurteilten noch nie so viele Firmen aller Größen das Finanzierungsklima so positiv wie
aktuell.
Fremdfinanzierung unbeliebt
Trotzdem bleiben viele Kreditinstitute auf dem billigen Geld sitzen. Deutschlands Mittelständler stünden auf der Investitionsbremse, stellt beispielsweise
die Commerzbank in einer Studie fest. Und wenn doch in Anlagen oder Ausrüstung investiert werde, geschehe dies nach Angaben von zwei Dritteln der über 4.000
befragten Unternehmer bevorzugt ohne die Hilfe von Banken und Sparkassen. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, erklärt das Phänomen mit „krisenbedingtem
Rest-Misstrauen“: „Gerade die kleineren Unternehmen haben in der Wirtschaftskrise die Erfahrung gemacht, schlechter an Kredite zu kommen, und haben deshalb das
Bestreben, unabhängiger von Fremdkapital zu sein.“
Viele setzen auf die eigene Kasse
Einen weiteren Grund für die zurückhaltende Kreditnachfrage sieht Alexander Schumann, Chefvolkswirt beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK)
darin, dass viele deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren ihr Eigenkapital gestärkt haben. „Ein erheblicher Teil benötigt derzeit überhaupt keine
externen Mittel“, so Schumann. Viele Betriebe setzen daher eher auf die eigene Kasse oder Leasingfinanzierungen. Andere Instrumente seien nur für bestimmte
Gruppen von Unternehmen sinnvoll, sagt Schumann: „Unternehmensanleihen lohnen sich etwa vor allem für Großunternehmen und größere Mittelständler. Auch für
Schuldscheindarlehen braucht es eine gewisse Mindestgröße.“ Für Kleinunternehmen könnten hingegen Bürgschaften, Crowdfunding oder der Einstieg
mittelständischer Beteiligungsgesellschaften interessant sein.