Zahnräder
05.07.2016 // PRODUKT-WELT

"Die Fertigungssoftware muss zum Unternehmen passen"

Materialengpässe, unklarer Fertigungsstatus, mangelnde Kostentransparenz: Spätestens wenn solche Probleme auftreten, ist es für kleine und mittlere Produktionsbetriebe an der Zeit, ihre Excel-Auswertungen durch eine professionelle Software zu ersetzen. Hierbei empfiehlt es sich, eine stufenweise erweiterbare Lösung einzuführen, die die Fertigungsprozesse abbildet und mit der Warenwirtschaft verknüpft – sagt Klaus Stierle, Experte für Fertigungslösungen beim ERP-Softwarehersteller HS.

Herr Stierle, Sie führen regelmäßig Gespräche mit Geschäftsführern und Fertigungsleitern kleiner und mittlerer Produktionsunternehmen. Wie stellt sich die Situation in diesen Betrieben im Bereich der Fertigung dar?

Klaus Stierle: Oft ist es so, dass kleine und mittlere produzierende Unternehmen den reinen Warenwirtschaftsprozess – sprich: Auftragsabwicklung und Einkauf – ganz gut im Griff haben. Die Lagerwirtschaft funktioniert mal gut, mal nicht so gut. Bei der Steuerung der eigenen Fertigung behelfen sich viele mit selbst erstellten Excel-Auswertungen. Das funktioniert grundsätzlich auch ein Stück weit.

Wann sollten die Unternehmen handeln?

Problematisch wird es beispielsweise, wenn umfangreiche Wachstumsprozesse oder strukturelle Veränderungen des Geschäfts die bisherige Organisation der Abläufe zu überfordern drohen. Auch steigende Umsatzerwartungen, neue Key-Kunden und komplexere Produkte geben Anlass, die Prozesse kritisch zu hinterfragen. Gefürchtet ist zudem die Situation, wenn der Fertigungsleiter in Rente geht. Dann droht viel Know-how, das im Kopf oder in den Tiefen von Excel-Auswertungen steckt, verloren zu gehen. Häufig sind die Probleme jedoch bereits offensichtlich: Immer wieder kommt es zu Materialengpässen. Oft ist unklar, was wann zu produzieren ist. Für eine Statusinformation an den Kunden muss man über das Fertigungsgelände laufen. Und die Kostensituation für einen Kundenauftrag stellt sich alles andere als transparent dar. Spätestens wenn solche Symptome auftreten, sollten Unternehmen damit beginnen, an bestimmten Stellen gezielt auf bessere Systeme zu setzen.

Die Fertigungssoftware muss imstande sein, im Bereich der Fertigung Strukturen und Abläufe abzubilden oder zu schaffen, die sich nahtlos in die Warenwirtschaftsprozesse einfügen.
Bevor wir auf geeignete Software zu sprechen kommen: Welche typischen Anforderungen haben kleine und mittlere Produktionsbetriebe im Fertigungsbereich?

Der tatsächliche Bedarf kann sehr unterschiedlich sein. Er reicht von der Sicherstellung der Bestandsführung im Materiallager und bei den Verkaufsprodukten über die Materialbeschaffung und die Erstellung von Fertigungsaufträgen bis zur Preiskalkulation auf Basis von Herstellkosten. Manche Betriebe wünschen sich darüber hinaus eine Produktionsplanung und eine Betriebsdatenerfassung für Nachkalkulationen – um nur einige der Anforderungen zu nennen.

Das ist ein breites Feld an Themen. Wie sollte aus Sicht der Anwender eine Software beschaffen sein, die diese Anforderungen erfüllt?

Wichtig ist: Die Fertigungssoftware muss zum Unternehmen passen und die Anwender in ihrer Tätigkeit unterstützen. Sie muss imstande sein, im Bereich der Fertigung Strukturen und Abläufe abzubilden oder zu schaffen, die sich nahtlos in die Warenwirtschaftsprozesse einfügen. Das Fertigungssystem darf die Flexibilität in der Produktion zudem nicht zerstören. Der Fertigungsleiter muss entscheiden können, ohne hierfür komplexe Verwaltungsakte in Gang setzen zu müssen. Außerdem muss der Aufwand für den Betrieb des Fertigungssystems möglichst gering sein. Es nützt nichts, wenn das System zwar alle erdenklichen Prozesse abbildet, für seinen Betrieb aber mindestens ein weiterer Mitarbeiter benötigt wird, der es mit Daten füttert.

Dann scheiden große ERP- und PPS-Systeme für kleine und mittlere Fertigungsbetriebe aus?

In aller Regel: ja. Die Anwender wären mit einem solchen System zwar in der Lage, ihre Fertigungsprozesse sehr genau abzubilden. Große Systeme tendieren jedoch dazu, über kurz oder lang die Steuerung zu übernehmen. Die Unternehmen investieren dann entweder in Personal für IT oder mindestens in die Arbeitsvorbereitung. Oder sie müssen viel Geld für Consultingdienstleistungen ausgeben. In der Praxis wird jedoch fast immer nur ein Bruchteil der funktionellen Möglichkeiten des Systems genutzt.

Das scheint nicht sonderlich effizient zu sein.

Nein, denn neben den Kosten für die Einführung und den Betrieb eines großen Systems sind auch die Lizenzkosten, die nach einigen Jahren bei Updates wieder neu anfallen, für kleine und mittlere Betriebe häufig ein Problem. Da nur ein Teil des Systems genutzt wird, ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer großen Lösung für ein kleineres Unternehmen somit fast immer ungünstig.

HS bietet Fertigungslösungen an, die zur aktuellen Situation passen, mit denen sich das Unternehmen aber auch weiterentwickeln kann.
Was ist an den Fertigungslösungen von HS anders als an den branchenüblichen PPS-Systemen?

Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass HS kein monolithisches System installiert, dem sich anschließend alles unterzuordnen hat. Stattdessen werden die Warenwirtschaftsfunktionen dort für die Fertigung ergänzt, wo es notwendig und sinnvoll ist. Der Anwender entscheidet, welche Funktionen benötigt werden, und bezahlt auch nur für diese Teile der Anwendung. Wenn zum Beispiel Produktionsplanung für mich als Anwender zurzeit kein Thema ist, möchte ich dafür nicht bezahlen und mich auch nicht damit auseinandersetzen. Das ist gerade für die Zielgruppe, die HS mit seinen Lösungen anspricht – Produktionsbetriebe mit bis zu bis rund 80 Mitarbeitern – ein zentraler Aspekt. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass HS auch Fertigungsthemen abdecken kann, die für die Anwender derzeit noch nicht relevant sind, es aber möglicherweise künftig sein werden. Die Kunden erhalten somit eine Lösung, die zu ihrer aktuellen Situation passt, mit der sie sich aber auch über die Jahre weiterentwickeln können.

Sie plädieren also für ein stufenweises Vorgehen?

Absolut. Ein stufenweises Vorgehen macht zum einen den Einführungsprozess überschaubarer. Zum anderen haben wir bei kleineren Fertigungsunternehmen ja nicht die Situation, dass es einen Stab von Mitarbeitern gibt, die neue Strukturen parallel zum laufenden Geschäft entwickeln könnten. Verbesserungen müssen sich ergeben, während die Geschäfte weiterlaufen. Hierzu muss klar werden, was die dringlichsten Aufgaben sind und in welchen Schritten sie angegangen werden können. Dazu sollte sich das Unternehmen auf jeden Fall von Fachleuten unterstützen lassen, die mit den entsprechenden Systemen Erfahrung haben. Was hier an Effizienz gewonnen wird, übersteigt die Investitionskosten oft sehr schnell.

Nehmen wir abschließend einmal an, der Geschäftsführer eines Fertigungsunternehmens bittet Sie um Rat. Was empfehlen Sie ihm?

Stellen Sie Ihre Hauptproblemfelder zusammen. Suchen Sie sich einen Systempartner, dem Sie vertrauen. Lassen Sie sich die Lösungsmöglichkeiten zeigen und sprechen Sie mit dem Spezialisten über Ihr Geschäft. Lassen Sie sich einen Einführungsplan aufstellen, den Sie organisatorisch bewältigen können. Stellen Sie einen Mitarbeiter bereit, der sich verantwortlich fühlt und eine Lösung erreichen will. Und besonders wichtig: Machen Sie den ersten Schritt!

Klaus Stierle
Klaus Stierle

Klaus Stierle leitet das Qualitätsmanagement bei HS - Hamburger Software und berät kleine und mittlere Produktionsunternehmen rund um die Einführung von Fertigungslösungen.

Bildnachweis:kirstypargeter/iStockphoto.com, Elfriede Liebenow (unten)