415 – die Startnummer auf den Türen des roten Fast&Speed- Buggys macht deutlich, welch kleines Licht
das
HS RallyeTeam vor etwas mehr als
zehn Jahren im Offroadsport war. Vor dem Dakar-Start in Lissabon als 115. von 174 Autos einsortiert,
arbeiteten sich Matthias Kahle und Dr. Thomas M.
Schünemann durch das Feld. "Ich habe nur gehupt", erinnert sich Kahle an den ersten Tag der Rallye Dakar
2006. Trotz der vielen rollenden Hindernisse lagen
Kahle/Schünemann nach den beiden Europa-Etappen schon auf Platz 24.
Wir haben viele Tipps bekommen, darunter auch völlig falsche.
Thomas M. Schünemann
Beste Rookies zur Halbzeit
Die Dakar-Premiere bedeutete für Kahle/Schünemann jedoch nicht nur in sportlicher Hinsicht eine neue
Dimension. Mit dem Übersetzen nach Afrika begann für
die Rookies (englisch: "Neulinge, Anfänger") das Abenteuer, das die Wüstenrallye vor dem Umzug nach
Südamerika auszeichnete: die Nächte im Zelt und die „
Astronautenkost“ (O-Ton Schünemann) zwischendurch. Schon die Fährüberfahrt von Málaga nach Nador geriet
spektakulär. "Die Dusche war auf dem Gang und wir haben
im Fahreranzug gepennt", erinnert sich Kahle. Schünemann beeindruckte vor allem die "pechschwarze Nacht".
Sportlich sollte es in Afrika noch besser laufen: Das HS RallyeTeam steigerte sich auf der Fahrt durch
Marokko, Westsahara und Mauretanien immer weiter und
lag vor dem Halbzeitstopp im Küstenort Nouakchott sensationell auf dem zehnten Gesamtrang. Die inoffizielle
Rookie-Wertung führten die Deutschen gar an – vor
einem gewissen Carlos Sainz (Dakar-Sieger 2010) im werkseingesetzten VW Touareg.
In den Dünen haben wir den Reifendruck auf 1,5 bar gesenkt. Heute wissen wir: Wir hätten ruhig
auf 0,3 bar gehen können.
Matthias Kahle
Eine Frage des richtigen Drucks
Rückwirkend wäre für die Mannschaft aus Hamburg noch mehr möglich gewesen. "Wir haben viele Tipps
bekommen, darunter auch völlig falsche", schmunzelt
Schünemann zehn Jahre später. "Ein Fahrer hat uns gesagt, dass er den Reifendruck in den Dünen kaum
verändert." Die HS-Piloten befolgten diesen Rat. "Wir haben
den Luftdruck auf 1,5 bar gesenkt und fanden das schon mutig", erklärt Kahle. "Heute wissen wir: Wir hätten
ruhig auf 0,3 bar gehen können." Denn: Ein
niedriger Reifendruck ist das A und O, um es durch den weichen Wüstensand zu schaffen.
Mit dem falschen Luftdruck begann für das HS RallyeTeam die Tour der Leiden. Direkt nach dem Ruhetag stand
die längste Prüfung der Rallye an: 599 Kilometer
durch einen „Ozean voller Sand“, wie es Thomas Schünemann formuliert. Der rote Buggy mit der Startnummer 415
blieb immer wieder stecken und als dann auch noch
das Getriebe im zweiten Gang festhing, mussten Kahle/Schünemann bei einbrechender Dunkelheit einsehen: "Das
ist unmöglich." Sie übernachteten in der Wüste. Ein
Mann im Auto, einer darunter.
Pannen-Biwak mit Champagner
Das Ende aller Hoffnungen war das aber noch nicht. Mit den ersten Sonnenstrahlen jagten die Rookies der
Rallye hinterher. Der verzweifelte Versuch, den
Anschluss zu halten, erstreckte sich über drei Tage und sorgte für bleibende Erinnerungen: Als der
Fast&Speed-Buggy mit Kupplungsschaden strandete, kam
ihnen ein Truck zu Hilfe. Die französische Besatzung schleppte Kahle und Schünemann aber nicht nur bis zur
nächsten Hauptstraße. Umringt von brüllenden Affen
errichtete sie ihr eigenes Biwak und servierte dort frisches Baguette, Lachs, Schinken, Wein und sogar
gekühlten Champagner, um die Wartezeit bis zum
Eintreffen des Servicewagens zu verkürzen. "Nach drei Tagen ohne Dusche haben wir uns gefühlt wie im
Schlaraffenland", erzählt Matthias Kahle noch heute
ungläubig.
Das opulente Mahl sollte das letzte Highlight des Dakar-Abenteuers sein. Als der Buggy nach erfolgreichem
Kupplungswechsel im offiziellen Biwak eintraf, war
die Zeitkontrolle schon abgebaut. Das Aus für Matthias Kahle und Dr. Thomas M. Schünemann, die als Nobodys
kamen und als Entdeckung der Rallye
gingen.